„Die sprichwörtliche Rede vom „Buch mit sieben Siegeln“ stammt aus der Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch der christlichen Bibel (Offenbarung Kap. 5,1ff.). Wenn, so die Offenbarung, „das Lamm“ – gemeint ist damit Christus – die Siegel der Reihe nach öffnet, breitet sich vor den Lesenden nach und nach eine gespenstische, endzeitliche Szenerie aus, Angst und Schrecken, Kampf und Krieg.
Das hätte man ja eigentlich in der Bibel nicht erwartet – oder? Tatsächlich hängen wohl mindestens vier – oder fünf? – der sieben Siegel, die für uns heute Lesende auf der Bibel liegen, mit der teilweisen Gewaltverhaftetheit der biblischen Sprache und Texte zusammen. Es soll schon Stimmen gegeben haben, die die Bibel auf den Index jugendgefährdender Schriften setzen wollten – mit gutem Recht? Dieselbe Jugend – es sollen auch Erwachsene dabei sein – begeistert sich aber für Fantasy-Literatur und Fantasy-Filme im Stil etwa des „Herrn der Ringe“. Sie ahnen dabei oft nicht, wie sehr das Gefüge dieses ganzen Genres, die Figuren, die Konflikte von der Verarbeitung der biblischen Tradition bestimmt sind.
Keine süßliche Langeweile
Zumindest also sorgen gerade die bisweilen problematischen und auch schwer verstehbaren Bibeltexte dafür, dass auf 1411 Seiten nicht nur süßliche Langeweile aufkommt. Dass Gott lieb, der Mensch gut und die Welt schön ist, wissen wir ja alle schon, dafür braucht man nur eine Zeile. Die Bibel leuchtet dagegen, natürlich auf dem Erfahrungsschatz der Menschen ihrer Zeit, die ganze Realität aus, so wie sie einem damals erschien. Das macht die Bibel abwechslungsreicher, als mancher denkt, manchmal auch blutiger, als manche es gerne hätte. Aber gerade solche blutigen Texte haben die Phantasie von Generationen angeregt, beschäftigt, manchmal beschwert, sie sind auf jeden Fall wirkmächtig geworden.
Neue öffentliche Aufmerksamkeit
Die wissenschaftliche Diskussion, aber vor allem die Pädagogik der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg hat das im Guten wie schlechten Sinn Bedrängende solcher gewalttätigen Texte zu wenig wahrgenommen und verdrängt. Das hat sich in der Wissenschaft erst in den letzten zehn, zwanzig Jahren geändert, in der Pädagogik noch kaum. Die Zeiten, in der man gönnerisch meinte, gerade das Alte Testament vor sich selbst in Schutz nehmen zu müssen, sind am schwinden. Mit der neuen öffentlichen Aufmerksamkeit für Religion und Religionen – auch wegen gewalttätiger Exzesse, die mit Religion in Verbindung gebracht werden – stellt sich die Frage, ob Religionen mit gewaltverhafteten Stiftungsurkunden überhaupt friedens- und zukunftsfähig sein können. An den biblischen Eingottglauben ist sogar zuletzt der heftige Vorwurf ergangen, er sei intolerant, totalitär, in sich jederzeit gewaltbereit.
Auseinandersetzung statt Verdrängung
Unter solchen Rahmenbedingungen tut eine Auseinandersetzung über ein solches Buch mit solchen Siegeln not. Natürlich ist das auch eine Auseinandersetzung, in die wir unser Gottes- und Weltverständnis in die Diskussion mit einbringen und der wechselseitigen Kritik aussetzen – vor dem Forum der Heiligen Schrift, die manchmal so unheilig wirkt. Zu dieser Auseinandersetzung möchte ich einen sicher auch provozierenden Beitrag leisten, weil ich zutiefst glaube, dass uns die biblischen Texte auch heute noch etwas, nein mehr: Wichtiges, Zentrales, Entscheidendes zu sagen haben.“
Andreas Michel
Andreas Michel (geb. 1963), Dr. theol., verheiratet, drei Kinder, studierte in Freiburg, Jerusalem und Tübingen, arbeitete als Assistent in Tübingen und Mainz und ist seit 2006 Professor für Biblische Theologie in Köln, wo vor allem Lehramtsstudierende für alle Schultypen ausgebildet werden. Ein Forschungsschwerpunkt ist seit der Habilitationsschrift „Gott und Gewalt gegen Kinder im Alten Testament“ (2003) das Thema „Gewalt und Gewaltüberwindung“ in der Bibel.
Die Werkwoche wird vom Quickborn-Arbeitskreis im BDKJ in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels e.V. veranstaltet.
Die Begegnung und das Gespräch der Generationen ist ein Kennzeichen dieser Tagung. Deshalb bietet sich nach dem morgendlichen Referat die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch in Gesprächskreisen. In „Diskussionskreisen“ kann jeder seine Gedanken und Assoziationen, die er beim Vortrag hatte, frei äußern. Sie folgen keiner besonderen Struktur und oft ist erstaunlich, was der Gruppe noch zum Thema einfällt. Diese Kreise sind stark abhängig von den Gedanken und Erfahrungen der TeilnehmerInnen.
In methodischen Gesprächskreisen arbeitet die Moderation nach einem mit dem Referenten abgestimmten Konzept, das die morgendlichen Vorträge vertieft und ergänzt. Sie gibt Arbeitsmethoden vor, mit deren Hilfe die GesprächskreisteilnehmerInnen an gewünschten Themenkreisen weiterarbeiten.
Für die weitere Planung ist es sehr hilfreich, wenn bereits mit der Anmeldung angegeben wird, wer an welcher Form des Gesprächskreises teilnimmt.
Zusätzlich zu diesen beiden Angeboten besteht für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren die Möglichkeit, an einem Jugend-Gesprächskreis teilzunehmen. Für die Moderation konnten wir Martin Klein gewinnen, der den Jugendlichen das Thema auf kreative Weise näherbringen wird.
Während der Referate und Gesprächskreise am Vormittag wird eine Kinderbetreuung angeboten.
Über den Tag verteilt gibt es verschiedene Kreativangebote: von Sport und Wandern, über das Kennen lernen von kreativen Techniken und die Möglichkeit, den Gottesdienst vorzubereiten (musikalisch oder inhaltlich), bis hin zu gemeinsamem Singen und Musizieren. Außerdem bietet das selbst organisierte Café einen gemütlichen Rahmen, um mit anderen ins Gespräch zu kommen.
Das persönliche Engagement der TeilnehmerInnen prägt diese Werkwoche. Wir hoffen, dass viele bereit sind, sich einzubringen. Es wäre schön, wenn auch in diesem Jahr wieder vielfältige Kreise im musischen, kreativen und sportlichen Bereich angeboten werden. Besonders für die Kinder und Jugendlichen suchen wir Angebote und Ideen.
Vor dem Abendessen feiern wir den von Teilnehmern vorbereiteten Gottesdienst. Abends wird es einen weiteren thematischen Impuls geben. Nach der anschließenden Meditation gibt es Gelegenheit, den Tag in verschiedenen Räumen der Burg gemeinsam ausklingen zu lassen.
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