(Referat Meinulf Barbers beim Frühlingstreffen des Quickborn 2016 am Samstagmorgen, 5. März 2016, auf Burg Rothenfels)
Der Quickborn entwickelte sich aus Zirkeln abstinenter höherer Schüler, die sich ab 1909 in verschieden Orten Deutschlands bildeten. Ausgangspunkte waren die Erkenntnis der sozialen Not, des Elendsalkoholismus, und die Sorge für den Frieden. In der Nachfolge des hl. Franziskus strebten die jungen Leute Einfachheit, Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit an. Auch die drei Priester in Schlesien, die für den jungen Bund, der ab 1913 auch Mädchen aufnahm, prägende Bedeutung bekamen, engagierten sich besonders für den Frieden:
Bernhard Strehler (*1872 in Lissau/Westpreußen, + 11.12.1945 in Bad Charlottenbrunn / Niederschlesien) arbeitete seit der Jahrhundertwende an der Zeitschrift „Friedensblätter“ mit und übernahm zeitweise die Redaktion. Die Hefte wollten den Frieden und das religiöse Leben fördern. Seit 1903 war er Präfekt eines Konviktes in Neisse; von 1920 bis 1926 ließ er sich von seinem Bischof für die Arbeit auf Burg Rothenfels als gewählter „Bundesführer des Quickborn“ und Burgleiter beurlauben.
Gerade auch der deutsch-polnischen Aussöhnung diente auch der von Bernhard Strehler 1914 gegründete Heimgarten in Neisse, den besonders auch Klemens Neumann mitprägte. Als Volksbildungshaus nach dem Vorbild dänischer Volksbildungsheime, als Mädchen-, Bauern- und Arbeitervolkshochschule und als Grenzlandvolkshochschule gab das Haus wichtige Anstöße für die Friedensarbeit…
Klemens Neumann (* 28.11.1873 in Tütz / Westpreußen, + 5.7.1928 in Neisse) besuchte ein deutsch-französisches Gymnasium mit Internat in Antwerpen. Hier traf er Flamen und Wallonen, Franzosen, Engländer und auch andere Deutsche und übte toleranten Umgang mit Menschen anderer Länder, deren Sprachen er intensiv erlernte. Nach der Priesterweihe 1899 und der Staatsprüfung in Religionslehre, Französisch und Hebräisch wurde er Religions- und Oberlehrer am Realgymnasium in Neisse und leitete dann auch den Kirchenchor und den Musikverein der Schule. 1914 gab er die „Quickbornlieder“ heraus – ab 1919 dann in veränderter Form als „Der Spielmann“. 1919 kaufte er für den „Verein der Quickbornfreunde e.V.“ Burg Rothenfels am Main. Mit vielen Quickbornern wanderte er 1926 durch Frankreich zum Friedenskongress in Bierville; unterwegs begeisterte er die Franzosen immer wieder mit seiner Geige und den Volksliedern, die die Wanderschar vorsang.
Hermann Hoffmann (* 14.7.1878 in Glogau/Schlesien, + 12.1.1972 in Leipzig) hatte als junger Priester in Liegnitz Polnisch gelernt, um die „Sachsengänger“, die polnischen Erntehelfer, betreuen zu können. Als Lehrer am Matthias-Gymnasium Breslau unternahm er mit seinen Schülern viele Wanderfahrten und machte auch selbst große Auslandsreisen. Auf dem Ersten Deutschen Quickborntag 1919 auf Burg Rothenfels hielt er eine wegweisende Rede „Vom dreifachen Recht der Jugend“ und ließ sich zur Vorbereitung des Zweiten Deutschen Quickborntages auf Rothenfels 1920 für ein Jahr vom Schuldienst beurlauben. Er besuchte im Laufe der Jahre viele Gautage und Gruppen des Quickborn in ganz Deutschland und berichtete auch von seinem Einsatz für den Frieden und die Ökumene:
Hoffmann nahm 1923 an der ersten internationalen Versammlung des Versöhnungsbundes im dänischen Nyborg teil. Er wurde in den Vorstand des Friedensbundes gewählt mit dem besonderen Auftrag zur Friedensarbeit in den katholischen Ländern. Mit dieser Mission begann er in den Niederlanden und in Belgien, wo er auch den flämischen Dichter Felix Timmermanns besuchte. 1923 nahm er auf Einladung von Marc Sangnier am Internationalen Friedenskongress in Freiburg/Breisgau teil. Hier hatte er wichtige Begegnungen – mit Franziskus Stratmann OP, dem späteren Leiter des Friedensbundes Deutscher Katholiken, und mehreren Quickbornern – u.a. Dr. Max Joseph Metzger und dem Leipziger Oratorianer Dr. Werner Becker. Am 8. Juli 1927 nahm Hermann Hoffmann an der Ersten Weltkonferenz für Glaube und Kirchenverfassung in Lausanne teil, obwohl vier Wochen vorher das Hl.Offizium unter Leitung von Papst Pius XI.katholischen Christen die Teilnahme an dieser Weltkonferenz verboten hatte.A ls Hoffmann 1927 vorzeitig aus dem Schuldienst ausschied, um wissenschaftlich forschen zu können, wurde es ihm möglich, Polen intensiv zu besuchen und in allen polnischen Universitätsstädten und an den meisten Bischofssitzen dort wichtige Beziehungen für die Friedensarbeit anzuknüpfen. Er hielt auch viele öffentliche Vorträge. Hoffmann setzte sich ein für eine Friedenskonferenz in Warschau 1927 und hielt dort das Eröffnungsreferat „Die Propheten und der Friede“. Unter den deutschen Teilnehmern waren auch Nikolaus Ehlen und der 1945 von den Nazis hingerichtete Greifswalder Pfarrer Alfons Maria Wachsmann, ein Quickborner. 1928 hielt Hoffmann den ersten Vortrag bei einer Friedenswerkwoche in Dorpat. Am Tag vor einer großen Abrüstungskonferenz in Genf veranstaltete der Versöhnungsbund dort eine Volksversammlung mit vielen Teilnehmern, bei der Redner aus verschiedenen Ländern dem brennenden Verlangen ihrer Völker nach Abrüstung Ausdruck gaben. Für die Deutschen sprach Hermann Hoffmann. Bei der Vorbereitung der Zweiten Deutsch-Polnischen Friedenskonferenz, die 1929 im Kloster der Dominikanerinnen in Berlin-Hermsdorf stattfand, hatte Hermann Hoffmann Gelegenheit, mit dem damaligen Nuntius Eugenio Pacelli zu reden und seiner Ansicht zu widersprechen, es könne einen „gerechten Krieg“ geben. Hermann Hoffmann bereitete für 1930 eine deutsch-polnische Frierdenskonferenz für die polnische und die deutsche Jugend vor, an der auch viele Quickbornerinnen und Quickborner – vor allem aus Schlesien – teilnahmen. Und er erörterte mit dem Primas von Polen Kardinal Hlond seinen Vorschlag, den nächsten Friedenskongress von Marc Sangnier 1933 in Polen abhalten zu lassen. Der Kardinal war begeistert. Hoffmann fasst die Meinung des Erzbischofs zusammen.: „“Der Kongress muss natürlich in Warschau sein, aber es muß eine Schlußfeier an der Grenze sein, vielleicht in Posen, vielleicht noch näher an der Grenze, vielleicht, daß für diese Schlußfeier unsere beiden Regierungen die Grenze öffnen für die Anwohner zu einem Verbrüderungsfest.“( und schreibt weiter: „Ich war bei Marc Sagnier, er war begeistert…So hoffnungsfreudig begann die Vorbereitung des Friedenskongresses in Warschau im Jahre 1933. Aber 1933 kam nicht Sangnier, es kam Hitler.“ Hoffmann wurde der Pass abgenommen, auch weil die Nazis alle seine Vorträge genau protokolliert hatten.
Tief bewegt von seinen Leiderfahrungen im Krieg erkennt der Quickborner Max Joseph Metzger (geb.3.2.1887 in Schopfheim / Baden, hingerichtet am 17.4.1944 in Brandenburg / Havel) als junger Priester den Einsatz für Frieden und Versöhnung als seine Aufgabe. Er schreibt 1917 ein „internationales religiöses Friedensprogramm“. Dies schickt er auch Papst Benedikt dem XV. zu, der sehr zustimmend antworten lässt. Auf der Grundlage seines Friedensprogrammes gründet Metzger im selben Jahr den „Weltfriedensbund vom Weißen Kreuz“ mit dem Sitz in Graz. Die deutsche Gruppe entwickelt sich zu dem „Friedensbund deutscher Katholiken“ unter P. Franziskus M. Stratmann OP. Eine dauerhafte Politik der Verständigung hielt der FDK nur innerhalb eines vereinigten Europas für möglich. Er vertrat daher die Ansicht, daß das Zeitalter der rivalisierenden Einzelstaaten zugunsten einer gesamteuropäischen Solidarität der Vergangenheit angehören müsse. Deshalb setzte er sich später, allerdings mit wesentlichen Einschränkungen, für die Paneuropa-Union des österreichischen Grafen Coudenhove-Kalergi ein“( (Bruder der Quickbornerin Ida Friederike Görres und 1950 erster Träger des Aachener Karlspreises). Metzger beteiligt sich an vielen internationalen Friedenskonferenzen. 1920 wirkt er in Bern auch an den vorbereitenden Überlegungen für den Völkerbund mit. Sehr hilfreich für diese Friedensaktivitäten sind ihm seine ausländischen Freunde und seine guten Fremdsprachenkenntnisse. Er besucht die Friedenskonferenzen in Den Haag, in Graz und – auf Einladung von Marc Sagnier – Paris, wo er als erster Deutscher nach dem 1. Weltkrieg sprechen darf. Auch durch sein zukunftweisendes Mitwirken bei den weiteren Friedenskonferenzen in Luxemburg und dann 1928 und 1929 in Den Haag wird Max Josef Metzger in vielen europäischen Ländern bekannt und anerkannt.
In einer Rede beim Internationalen Friedenstag 1928 in Den Haag ruft er zur Verwirklichung des Reiches Gottes auf, das „Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe“ verkörpere. Und er sagt: „Der Krieg verdankt sein Dasein in der Welt dem Vater der Lüge. Der Krieg selbst ist eine Lüge, er kommt aus der Lüge, nur durch Lüge kann er heute noch möglich gemacht werden. Gieriger Mammonismus, frecher Imperialismus, überheblicher Nationalismus, zynischer Machiavellismus, diese Lügengeschwister stehen an seiner Wiege.“ Auf dem Kriegsgegner-Kongress 1929 ruft er zur Wehrdienstverweigerung auf und wendet sich gegen den „schrankenlosen Machtanspruch des Staates“, eine allgemeine Wehrpflicht zu verordnen und damit „seine naturrechtlichen Gewalten“ zu überschreiten. Die zweite Ökumenische Weltkonferenz fand 1927 in Lausanne statt. Hier waren Hermann Hoffmann und Max Josef Metzger wieder zusammen und hatten täglich mit führenden Mitgliedern der Ökumenischen Bewegung Kontakt. Metzger predigte französisch an den Sonntagen in katholischen Kirchen über die Bedeutung des Friedens.
1934 und 1939 wird Metzger zweimal von der Gestapo verhaftet und jeweils für einige Tage ins Gefängnis gebracht. Im Advent 1939 schreibt er aus der Gefängniszelle an Papst Pius XII. einen längeren Brief, in dem er dem Papst vorschlägt, ein allgemeines Konzil einzuberufen, das dem Frieden der Welt und der Einheit der Christen dienen soll. Es heißt in Metzgers „Konzilsbrief“ u.a.: Die Christenheit „ kann nie ihre Stimme wirksam erheben, sie kann keinen bestimmenden Einfluss auf das Weltgeschehen ausüben zur Durchsetzung der ewigen Grundsätze unseres Herrn, weil – sie nicht eins ist….“ Im Schlussabschnitt stellt Metzger noch einmal seine Sehnsucht nach dem „großen Gut der Una Sancta sowie der Pax Christi in regno Christi“ heraus.
Bruder Paulus erhält keine Antwort auf seinen Konzilsbrief an den Papst – es ist auch nicht bekannt, ob der Brief Pius XII. überhaupt erreicht – aber als Anreger für einen konziliaren Prozess für Frieden und Gerechtigkeit und die Einheit der Christen muss neben Dietrich Boenhoeffer auch jeweils M.J. Metzger gesehen werden.
Max Josef Metzger steht in regem Gedankenaustausch mit vielen Freunden – auch aus dem Quickborn und von Burg Rothenfels, wie neben Hermann Hoffmann z.B. Romano Guardini und den Leipziger Oratorianern. Trotz zunehmender Repressalien der NS-Stellen, die die Publikationen seines Meitinger Verlages verboten und die Räume der Christkönigsgesellschaft besetzt und durchsucht und Veranstaltungen gestört hatten, so dass Max Josef Metzger in der Berliner Niederlassung der Christkönigsgesellschaft „untertaucht“, unternimmt er Anfang der 40er Jahre Vortragsreisen in 17 deutsche Städte, in denen sich dann Una-Sancta-Kreise bilden. Pfingsten 1939 lädt M. J. Metzger mit einem Brief alle evangelischen Pfarrer in Deutschland zu einem gemeinsamen brüderlichen Gespräch ein. Wenige Wochen vor seiner Hinrichtung – 17. April 1944 im Zuchthaus Brandenburg- Görden – schreibt er in einer Theologischen Abhandlung“ zum 25-jährigen Bestehen der Christkönigsgemeinschaft am Herz-Jesu-Fest 1944 Überlegungen über die Kirche nieder, die das Kirchenbild des 2. Vatikanischen Konzils vorwegnehmen. Er vollendet die Schrift im Gefängnis und übergibt sie dem Gefängnispfarrer Peter Buchholz übergibt.
Prälat Peter Buchholz, der Gefängnisseelsorger Metzgers, sagte zehn Jahre nach Metzgers Tod in einer Gedenkfeier für ihn:
‚Was weiß die christliche Welt von diesem ganz seltenen Menschen, von seinem Kämpferleben und seinem Martryrertod? Nur wenige wissen, dass er der Gründer der Una-Sancta-Bewegung gewesen ist, dass er ebenso wie für den Frieden unter den Konfessionen so auch für den Frieden unter den Völkern, den Weltfrieden und die Völkerversöhnung gekämpft hat.“
Der diözesane Seligsprechungsprozess fürMax Josef Metzger wurde am 27. März 2014 in Freibuerg beendet.
Wichtige Anstöße für die Friedensbewegung kamen auch von den Quickbornern Walter Dirks und Hermann Platz. Dr. Walter Dirks (* 1901 in Hörde bei Dortmund, + 1991 in Wittnau bei Freiburg). Als Gauführer des Quickborn in Westfalen hatte Dirks im Frühjahr 1923 in der Bundeszeitschrift „Quickborn“ Verständnis für die französische Sicht der Lage gefordert, obwohl sein älterer Bruder von französischen Soldaten zur Zeit der Ruhrbesetzung erschossen worden war. Von 1924 bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten 1934 arbeitete Dirks an der (linkskatholischen) Rhein-Mainischen Volkszeitung mit und redigierte von 1928 bis 1931 die Zeitschrift des Friedensbundes Deutscher Katholiken. Hier versuchte er das politische Handeln christlich zu motivieren. Er war auch Sekretär von Romano Guardini in dessen Berliner Zeit.
Der Romanist Prof. Dr. Hermann Platz (* 1880 in Offenbach an der Queich / Südliche Weinstraße,* 1945 in Düsseldorf) war ein bedeutender demokratisch-pazifistischer Reformkatholik, der auch die Quickborner schon früh auf Friedensbestrebungen in Frankreich und Marc Sagnier hinwies.1924 veröffentlichte er seine Schriften „Deutschland – Frankreich und die Idee des Abendlandes (Köln) sowie „Um Rhein und Abendland“ (Rothenfels). Von 1925 bis 1930 gab er die Zeitschrift „Abendland. Deutsche Monatshefte für europäische Kultur, Politik und Wirtschaft“ heraus und ab 1929 die Reihe „Studien zur abendländischen Geistes- und Gesellschaftsgeschichte“. Sein Lehrauftrag für französische Geistes- und Gesellschaftsgeschichte an der Universität Bonn wurde ihm 1935 von den Nazis entzogen; er engagierte sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus und war nach Mai 1945 – unter Besatzungsrecht -für kurze Zeit eine Art Kultusminister in Düsseldorf für das späetere Land Nordrhein-Westfalen.
Und auch hier schon zu nennen ist P. Manfred Hörhammer OFMCap (* 26.11.1905, + 12.8.1985), dessen Friedensarbeit dann besonders nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Pax-Christi-Bewegung wirksam wurde. Er feierte 1929 auf Burg Rothenfels seine Primiz und Pfingsten 1979 auf der Burg sein Goldenes Priesterjubiläum (P.Manfred war auch Referent bei der vom Quickborn-Arbeitskreis in der Osterwoche 1982 (13. bis 17.4.1982) auf Burg Rothenfels veranstalteten „Werkwoche für junge Leute“ „Frieden halten und schaffen“ – 97 Teilnehmer -). Pater Manfred gehörte mit Josef Probst zu den 17 deutschen Teilnehmern des ersten Pax-Christi-Treffens im Februar 1947 in Lourdes (Näheres hören wir dazu ja gleich bei Friedhelm Boll).
Viele Quickbornerinnen und Quickborner arbeiteten mit im Friedensbund Deutscher Katholiken (FDK), der sich nach entsprechenden Vorarbeiten auf Einladung des Quickborners Max Joseph Metzger bei einer „Konferenz katholischer Pazifisten“ am 9. Oktober 1919 in München konstituiert hatte.
Und einige Quickborner engagierten sich auch in der pazifistischen Vitus-Heller-Bewegung, so Kurt Döbler (Gotha -erster Quickborngauführer in Thüringen) und als Sprecher der jüngeren Generation Theo Hespers (Mönchengladbach). Vitus Heller (geb. 1882 in Tauberrettersheim in Franken, gest. 1956 in Würzburg) hatte seine politische und ideologische Grundausrichtung beim Volksverein für das katholische Deutschland in Mönchengladbach erhalten und war ab 1911 Sekretär des Volksvereins in Würzburg. Er gab ab 1919 die Wochenschrift „Das Neue Volk“ heraus und veröffentlichte1926 sein Buch „Nie wieder Krieg“. Seine ab 1926 bestehende Christlich-Soziale Reichspartei beteiligte sich 1928 an den Reichstagswahlen mit dem Pazifisten und „Siedlervater“ Nikolaus Ehlen als Spitzenkandidaten.
Wegweisend für viele Quickborner wie Kurt Döbler, Bernhard Poether und Franz Stock waren auch die Anregungen in Frankreich, vor allem durch Marc Sangnier (* 1873 in Paris, + 1950 in Paris), seine liberalkatholische Bewegung „Le Sillon“ (die Furche) und die von ihm einberufenen Internationalen Friedenskongresse. „Der VI. Internationale Demokratische Friedenskongreß verbunden mit Internationalem Freundschaftsmonat der Jugend / im Schloß und Park von Bierville bei Paris vom 1. bis 29. August 1926“ bewegte in besonderer Weise. Schon der Weg vieler nach Bierville vom 1. bis 7.8.1926 setzte Zeichen. Viele Quickborner waren gemeinsam mit Klemens Neumann auf dem Weg. „In Reims pflanzten die Bierville-Fahrer im Anklang an die revolutionären französischen Traditionen einen ‘Friedensbaum’. In Rouen wurden sie auf einer Großveranstaltung mit den Worten empfangen, wichtig es sei, gemeinsam das Brot zu brechen. Bierville selbst muss dann bei zahlreichen Teilnehmern alle Erwartungen an eine ‘Weihestätte des Friedens’ übertroffen haben. Sangnier hatte das Schloss und den Park 1920 erworben und ihn so herrichten lassen, dass er sich als heiliger Ort der Friedensbewegung eignete.“( In einer vorbereitenden Woche in Bierville vom 8. bis 15. August 1926 wurden in drei Reihen Vorlesungen gehalten über „Die Demokratische Idee und der Krieg“, „Die Jugend aller Länder und das Kriegsproblem“ (hier sprach auch Karl Heinz Schmidthus über den Quickborn) und „Das internationale Leben und die Jugend“. Daneben gab es künstlerische Darbietungen und Spiele – und Klemens Neumann informierte über das deutsche Volkslied. In der Hauptwoche vom 16. bis 22. August 2026 mit ca. 6000 Teilnehmern arbeiteten verschiedene Kommissionen an Friedensfragen. In einer Generalversammlung wurden wichtige Beschlüsse gefasst. Bei einer Messe auf dem Kalvarienberg predigte der Bischof von Versailles; es wurde auch ein Telegramm des Papstes verlesen. Am 22.8.1926 fand die große öffentliche die Tagung abschließende Vollversammlung statt, in der Marc Sagnier in einer von lang anhaltendem Beifall unterbrochenen Rede die Friedensbegeisterung zusammenfasste und Bierville als Modell für ein Leben der Menscheit in Frieden heraushob: „Wenn wir nur wollen, kann die ganze Welt ein Bierville im Großen werden, wo die Menschen sich nicht mehr hassen, wo es nur noch Haß gibt gegen den Haß und Gewalt gegen den Krieg. Wenn wir es wollen. Wird die Menschheit frei werden.“
Dr. Nikolaus Ehlen sprach für die deutsche Jugendbewegung als letzter: „im Kampf um den Frieden werde sie immer gern allen die Hand reichen zu gemeinsamer Arbeit.“ Der Quickborner Josef Probst ( 11. März 1890 Völklingen, gest. 1967) (über den wir nachher bei Friedhelm Boll noch etwas hören) war dann einer der drei Redakteure des im Werkbundverlag Würzburg 1926 auf 250 Seiten erschienenen Buches „Die Tage von Bierville“.
1927 veranstaltete Sangnier gemeinsam mit dem FDK den Siebten Internationalen demokratischen Friedenskongress in Würzburg und dabei am 9.9.1927 eine Friedenstagung auf der Burg Rothenfels am Main mit ca.100 Teilnehmern.
Franz Stock (geb.21.9.1904 in Neheim, gest. 24.2.1948 in Paris) leitete einige Zeit die Quickborngruppe in Neheim / Westfalen. Er lernte die Sprachen der damaligen „Erzfeinde“ der Franzosen und der Polen. Er gehörte dann zu den ersten deutschen Gefährten des hl. Franz, Compagnons de Saint Francois, einer 1927 von seinem Kommilitonen Joseph Folliet und René Beaugey in Frankreich gegründeten internationalen Pilgergemeinschaft für den Frieden. In dieser Gruppe „fand er den Reichtum der Quickbornbewegung wieder, deren Mitglied er in Deutschland war. Bei den Compagnons stieß er vor allem auf eine tiefe Spiritualität: Es war der franziskanische Geist.“ Im Anschluss an die internationale Pilgerfahrt nach Luxemburg 1931 nimmt Franz Stock 35 junge Franzosen mit nach Neheim, die er zu Hause unterbringt. „Das Friedenstreffen endet am 13. September 1931 mit einer (von Nazis gestörten) großen Friedenswallfahrt auf den Borberg (bei Brilon in Westfalen); dabei sind auch Joeph Folliet und Paulus Lenz-Medoc (ein Quickborner, der das Sekretariat des Friedensbundes Deutscher Katholiken leitete. Er emigrierte später nach Frankreich und war dort Professor an der Sorbonne; er nahm dann auch vom 24. bis 29. April 1984 an der vom Quickborn-Arbeitskreis auf Burg Rothenfels veranstalteten Jubiläumstagung „75 Jahre Quickborn -70 Jahre Spielmann – 65 Jahre teil (230 Teilnehmer -140 Jugendliche und junge Erwachsene, 90 Ältere).
Ab 1934 leitete Abbé Stock die deutschsprachige katholische Gemeinde in Paris. Der Arnsberger Bürgermeister Hans-Josef Vogel hob in seinem Referat bei der Mitgliederversammlung des Franz-Stock-Komitees am 28. Februar 2016 in Arnsberg hervor, dass Franz Stock sich in besonderer Weise für den Frieden engagierte, indem er zusammenarbeitete
- mit den Ärmsten und Verlassensten des Ruhrgebietes Anfang der 30-er Jahre, den polnischen Grubenarbeitern, deren Sprache er lernte;
- mit jungen deutschen Frauen, die als A-Pair-Mädchen und Haushälterinnen bei französischen Familien angestellt, zugleich dort einsam waren und sich verlassen fühlten. Er gab ihnen ein Stück Heimat und erklärte ihnen Frankreich, führten sie ein in die französische Mentalität und Kultur ein, damit sie in beiden Kulturen zu Hause sein könnten. Und schuf ein Frauenzentrum;
- er engagierte sich für die vor den Nationalsozialisten nach Frankreich Geflohenen und die von den Nazis Vertriebenen in Paris. Er erkannte, dass sie beides brauchten: die Pflege ihrer eigenen deutschen Kultur und die Öffnung zu Frankreich;
- er arbeitete zusammen mit den Gefangenen und Geiseln der Nationalsozialisten. Er ging in die Pariser Nazi-Gefängnisse, in die sonst nur Gefängniswärter, Folterer und Erschießungskommandos gingen. Als einziger redete er mit den Gefangenen der Nazis, stellte heimlich Verbindungen zu ihren Familien her, brachte ihnen Bücher und was zu essen – trotz Verbot und Drohungen der Gestapo. Er fragte nicht nach Nationalität, Religion, politischer Anschauung oder Herkunft;
- er blieb bei den von den Nazis zum Tode verurteilten und an den schrecklichen Plätzen erschossenen Menschen. Bei ca. 2.000 Hinrichtungen war Abbé Stock bei ihnen, überbrachte letzte Nachrichten, begleitete sie zu den Todespfählen. Sie wurden ermordet, und jeder von ihnen wusste doch Franz Stock an seiner Seit;
- er hielt aus bei den verzweifelten Familien. Er verriet die Beerdigungsorte, tröstete, informierte, schmuggelte Kassiber zwischen Gefangenen und Außenstehenden und umgekehrt, ohne erwischt zu werden, aber immer unter dem gewaltigen Druck, aufgespürt und selbst festgesetzt zu werden.
Nach dem Krieg hielt er als Regens des Priesterseminars hinter Stacheldraht in Chartres zu den ausgemergelten deutschen Kriegsgefangenen, organisierte für Hunderte im Lager eine anerkannte gymnasiale Oberstufe und ein anerkanntes Theologiestudium. Franz Stock setzte sich leidenschaftlich für Frieden, Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen ein und legte wichtige Grundlagen für die Aussöhnung zwischen den beiden Völkern. Der diözesane Seligsprechungsprozess für Franz Stock wurde am 8. November 2011 in Paderborn beendet.
Nach dem Tod von Abbé Stock schrieb Joseph Folliet u.a.: „Er war mein Freund. Ich habe ihn gekannt als Quickborner, als großen und schlanken jungen Burschen mit blonden Haaren, mit einem Blick in die Ferne. …Er liebte sein Vaterland und verstand es mit einer überzeugenden Intelligenz zu verteidigen. Er liebte auch Frankreich, das er wunderbar begriff. Der Krieg zerschnitt ihm die Seele. Er wusste den Frieden zu finden in seiner Pariser Mission.“
Im von Prälat Moll herausgegebenen zweibändigen Werk: „Zeugen für Christus – Deutsches Martyrologium des 20.Jahrhunderts“ stehen Lebensbilder von sieben Quickbornern, die sich für den Frieden einsetzten und Opfer des Terrors wurden – sie sind mit ihren Lebensdaten auf dem Handzettel vermerkt.
(Redakteur Theo Hespers, * 12.12.1903 in Mönchengladbach, erhängt 9.9.1943 in Berlin-Plötzensee,
Kaplan Gerhard Hirschfelder, * 17.2.1907 in Glatz, * 1.8.1942 KZ Dachau,
Marine-Intendanturrat Rudolf Mandrella, * 6.3.1902 in Auschwitz, hingerichtet 3.9.1944 in Brandenburg-Görden,
Dr. Max Joseph Metzger, * 3.2.1887 Schopfheim / Baden,
hingerichtet 17.4.1944 Brandenburg-Görden, Kaplan Bernhard Poether, * 1.1.1906 Datteln / Westfalen, * 5.8.1942 KZ Dachau,
Pfarrer Paul Sauer, * 26.9.1892 Bielitz, Kreis Falkenberg / OS * 24.6. 19 4 6 in Bunzlau (Boleslawiec) infolge von Misshandlungen in polnischer Haft.
Studentenpfarrer Dr. Alfons Maria Wachsmann, * 25.1.1896 Berlin, hingerichtet 21.2.1944 Brandenburg-Görden. )
Zwei von ihnen entwickelten auch schriftlich Friedensvisionen für die Zeit nach dem Ende des Hitlerfaschismus – ich hatte auf dem Herbsttreffen unseres Ost-West-Kreises am 5. Oktober 2014 in Zwochau ausführlich darüber referiert – : Theo Hespers in der von ihm aus seinem niederländischen Exil herausgegebenen Widerstandzeitschrift „Kameradschaft“ im Dezember 1938 und Max Joseph Metzger in seinem „Friedensmanifest“ aus dem Frühjahr 1943.
Theo Hespers: „So wollen wir Deutschland“
(in: Kameradschaft – Schriften junger Deutscher,
Heft 12, Dezember 1938)
„…Der Zusammenbruch der Weimarer Parteien, der Machtantritt der N.S.D.A.P. und nicht zuletzt die Tiefe der kapitalistischen Wirtschaftskrise haben uns gelehrt, dass nur eine vollständige Neuordnung der Gesellschaft, des Staates und der Wirtschaft eine dauerhafte Gesundung des deutschen Volkslebens herbeiführen kann. Die Erneuerung der Lebensverhältnisse ist aber nur dann praktisch durchführbar, wenn ihr eine neue Gesinnung zu Grunde liegt.
Das kommende Reich wird außenpolitisch für die weitgehendste kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den anderen Völkern Europas und der übrigen Welt sich einsetzen. Aus der Achtung vor dem eigenen völkischen Eigenwert wird es auch die völkische Eigenständigkeit der anderen Nationen achten. Es ist deshalb für die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes wie für dasselbe Recht aller anderer Völker. Aus diesem Grunde lehnt es auch jeden Kolonialbesitz ab. Dazu kommt die Überzeugung, dass die Erschließung von Kolonien nicht den Staaten, die diese besitzen, in erster Linie nutzen, sondern Unkosten bereiten, von denen die interessierten Wirtschaftsgruppen und nicht das eigene Volk profitieren.…“
Noch einmal zu Max Joseph Metzger:
Einer von den Nazis in seinen Berliner Una-Sancta-Kreis eingeschleusten Dame vertraut Metzger sein „Friedensmanifest“ vom Frühjahr 1943 an, das sie an den evangelischen Bischof Eidam in Uppsala im neutralen Schweden weiterleiten wollte – statt dessen verrät sie Dr. Metzger an die Gestapo. In dem Manifest hatte Bruder Paulus zukunftweisende Gedanken zur Neuordnung Deutschlands und Europas nach Kriegsende
dargelegt (im Bereich der Sozial- und Wirtschaftspolitik entwickelt er hier Gedanken, die z.T. mit Vorstellungen des Ahlener Programms der CDU von 1947 übereinstimmen), u.a.: „Die Friedenspolitik nach innen gründet auf der Achtung des ewigen Sittengesetzes, auf der Anerkennung und Wahrung des gleichen Grundrechtes für alle Bürger, einer fortschrittlichen Sozialpolitik (Sicherung von Arbeit, Verdienst- und Lebensmöglichkeit für alle; Nationalisierung aller Bergwerke, Kraftwerke, Eisenbahnen sowie des Großgrundbesitzes an Feld, Wald und Seen; soziale Steuerpolitik unter Schonung der Schwachen) und einer gerechten Nationalitäten- und Rassenpolitik (Selbstverwaltung der nationalen Kurien, z.B. in bezug auf die öffentlichen Mittel für Schulzwecke).
Die Friedenspolitik nach außen anerkennt und achtet in vollstem Umfang die Lebensrechte fremder Völker und vertritt bzw. verwirklicht freiwillig eine Abrüstung (bis auf eine Polizeitruppe zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung) zugunsten einer überstaatlichen Wehrmacht, die im Dienst eines unparteiischen Organs der „Vereinigten Staaten von Europa“ einen gerechten Frieden unter den Staaten zu schützen übernimmt.
Verfassungsmäßig ist jedem…die Unantastbarkeit der persönlichen Würde und Rechtssicherheit, die Freiheit des Gewissens, der Sprache und Kultur sowie der Religionsausübung, die Freiheit der Meinungsäußerung und schließlich die Freiheit des persönlichen Eigentums und Eigentumsgebrauchs innerhalb der durch das Gemeinwohl bestimmten und rechtlich klar festgelegten Grenzen gewährleistet…“
Im Pfingsten 1946 in Freising beschlossenen Grundgesetz des Quickborn heißt es u.a.: Der Bund Quickborn „will getreu seiner Tradition und in voller Aufgeschlossenheit die friedlichen Bestrebungen zur Annäherung zwischen den Ständen, Konfessionen und Völkern fördern, um so zur Neuordnung unseres deutschen Volkes und eines christlichen Abendlandes beizutragen.“
Viele aus dem Nachkriegsquickborn engagierten sich intensiv in der Pax-Christi-Bewegung und nahmen auch an den großen Studentenwallfahrten (Routes) nach Chartres und zum Mt. St. Michél teil. Der Quickborner und langjährige Geistliche Beirat und große Inspirato rvon Pax Christi P. Manfred Hörhammer deutete das „Sonnenkreuz“, das Bundeszeichen des Quickborn, als „Zeichen der Friedenskämpferschaft“.
(P. Manfred Hörhammer OFMCap: „…was Dir zum Frieden dient!“
Rede auf dem Bundestag des Quickborn am 3. August 1952 auf Burg Rothenfels
Letzter Abschnitt der Ansprache (in „Quickborn, Nachrichten der Älteren im Bund, Nr. 5, Dezember 1952, S. 3 f.)
„…So, liebe Jungen und Mädels, denen wir die Zeichen der Friedenskämpferschaft: Sonne und Kreuz ineinandergefügt… jetzt überreichen, geht an den Auftrag der biblischen Botschaft, zwei zu zwei sich auf den Weg zu machen, die Armut der Straße im Sinne des Evangeliums zu teilen und so mächtig zu werden, Frieden anzusagen und zu verschenken.Route de la Paix – wie unsere französischen Freunde dasWort geprägt haben. Meine Freunde, ich greife das Stichwort des Jugendbundes von gestern auf: Unsere Friedensmission ist nicht ein Wagnuis der Verwegenheit, noch der Verlegenheit, sondern des Vertrauens.
Wider die Dämonen werden wir uns geistlich und geistig wehren müssen, aber um das Rußland der Ikone werden wir in Liebe kämpfen und werben müssen. Laßt uns um diesen Frieden beten, opfern und lieben. Sein Frieden wird auch Seine Gerechtigkeitr sein. Unsere Gerechtigkeit aber, für die wir einstehen wollen, Herr, durchflochten mit unserer Ungerechtigkeit, laß sie Deiner überströmenden Barmherzigkeit empfohlen sein, die alles neu schafft und erlöst. Laß sie uns lieber im Zeichen einer allgemeinen Schuldverstrickung vollziehen, als sie unter falschen Vorzeichen angeblicher Sicherheiten anzustreben. Ob in diesem gebrochenen Dasein ein neuer Anfang uns zuteil wird, ohne daß nicht das eine mit dem anderen schuldhaft bezahlt werden muß, das wissen wir nicht. Aber das ist uns verheißen: daß wir Dich um die Lauterkeit des Herzens,um Deinen Frieden bitten dürfen. Laß und, Herr, im Bund immer Deinen Frieden rufen, meinen, leben.“
Über die Verbindungen zwischen Pax Christi und dem Quickborn spricht ja gleich Friedhelm Boll.